Freitag, 7. November 2014

Exzerpt zu "Sinn, Selbstreferenz und soziokulturelle Evolution" (Luhmann 2008 [~1985 (Fn. 1)])

1 Überblick
1.1 Kurzgefasst:

Evolution ist selbstreferentielle Sinnevolution, wobei zwischen gesellschaftsstruktureller und semantischer (Sinn-)Evolution unterschieden werden muss.

1.2 Genauer:
  1. Luhmanns zentrale These ist, dass die Evolution der Gesellschaft selbstreferentielle Sinnevolution ist. Beispielsweise wird  aufgrund  der Verweisungsstruktur von Sinn (auf andere Möglichkeiten) beim Anschluss von Sinn an Sinn Variation ermöglicht (10, 57). 
  2. Zudem werden die Mechanismen der Evolution in der gesellschaftsstrukturellen Evolution (das ist Sinnevolution in Form von Systemdifferenzierung) und in der semantischen Evolution (das ist Sinnevolution als Ideenevolution) weiter auseinandergezogen und dadurch mit reicheren Kombinationsmöglichkeiten ausgestattet werden" ( 60).

2 Zu den Kapiteln
I. Einleitung: Das Konzept der Evolution
Evolution ist weder ein gesetzmäßiger Prozess, noch kann sie mit einer (Kausal)faktorentheorie behandelt werden (7). Statt Einheit muss mit "der Differenz von Variation und Selektion" begonnen werden (8). Man müsse von Kleinstereignissen des Alltags ausgehen und trotzdem Effektaggregation erklären. Es geht darum, wie man Sinn in die Evolutionstheorie einbringt, unter anderem wegen der "Unwahrscheinlichkeit der Evolution" (9). Die Differenz der Mechanismen Variation, Selektion und Restabiliesierung liegt alle Evolution auf der ersten Ebene zu Grunde (9). Hinzu kommt der Zufall (9).

II. Zentrale Fragestellungen: Erweiterung der Evolutionstheorie um Sinn als selbstreferentielle Reproduktion (10 ff.)
Die zentralen Fragen (und ihre Antworten) des Artikels sind:
  1. Wie auf der Ebene sinnhafter Operation eine abweichende Operation zustande kommt (10)? Antwort: durch Fehler in der Selbstreproduktion (10). Aber dadurch stellt sich die Frage: Sind das Abweichungen zum normalen Kontext (vgl. Kapitel III: 18)? Mehr siehe Kapitel IV: 23.
  2. Aber wie stehen dann die Reproduktion für Variation und Selektion offen, ohne seine Geschlossenheit einzubüssen (12)? Antwort: Durch getrennte Sinndimensionen, siehe Kapitel IV. Für Variation siehe auch Anwort X.2, Für Selektion siehe auch III.2.
  3. Wie entwickeln sich selbstreferentielle Systeme auf Basis von Sinn? Antwort: Verweis auf Mögliches, Repression, Rückkehr auf Aktuelles und Instabilität. (Siehe Kapitel III Sinn und Evolution).


III. Was ist Sinn in Bezug auf Evolution?


    III.1 Was ist Sinn
    Sinn ist die Einheit der Differenz von Aktualität oder Wirklichem (Selbstverweis auf den Sinnkern als intendierbarem Sinn) und Possibilität oder Möglichem (Verweis auf andere Möglichkeiten)(12 f., 15). Dazu "gehört ein notwendiges Moment der Instabilität. Weder Bewußtsein noch Kommunikation können beim einmal gemeinten Sinn verbleiben. Sie müssen ihn verlassen und einer der Verweisung nachgehen, sie müssen weiteres Erleben oder Handeln anschließen" (13, Hervorh. im Ori.). "Stabilität [wird] durch Rückkehr zum Ausgangssinn wiedergewonnen" (13).

    Evolution in der Sinnwelt ohne Grenzen bedarf der Reduktion (Ordnung ist Reduktion) und der Differenz (Ordnungsaufbau) (14). Hierbei ist Welt ein mitaktualisierter Horizont, aber die Aktualisierung erfolgt selektiv (15).

    "Selbstreferenz (Zirkularität) und Differenz sind zugleich die Voraussetzungen [...], dass Ereignisse Informationswert" (durch Selektion über Sinn (Selbstreferenz/Differenz)) gewinnen (16). Ihr Neuigkeitswert und ihr Anschlußwert besteht darin, daß sie (die Information, L.E.) eine Entscheidung triff und damit den Wahlbereich einschränkt" (16). Also Selektion:

    III.2 Selektion
    (siehe auch Frage 2, oben)
    1. "Selektion muß für ein selbstreferenzieles System einen einen Unterschied  ausmachen" (17). "Im Gebrauch [...] in Differenz zu anderen" kann erst "Information auftreten [...] und Direktionswert für Anschlußselektionen gewinn[en]". (Mathematisch:){Selektion -> Information & Anschlussdirektion = f(verfügbaren Differenzen)}
    2. Bei der Selektion wird "mithin ein Kontext voraus[ge]setzt, der von Momentn zu Moment variiert" (18), {Selektion=f(Kontext)}
    Der Wiedereintritt (Re-Entry) von Sinn in Sinn reproduziert den Kontext (18), (siehe unten Fragen dazu).  Durch Re-Entry verschmelzen Horizonte verschiedenen Sinnes zur Welt (19).

    IV. Die Reproduktion von Sinn in den Sinndimensionen (19 ff.)
    Nur durch Sinnreproduktion ist Evolution möglich (19). Die die Sinnreproduktion sinnkonstitutierende Differenz wird trotz laufender Selektion erhalten (20).

    Es stellt sich die Frage: Wie stehen dann die Reproduktion für Variation und Selektion offen, ohne seine Geschlossenheit einzubüssen (12)?  Antwort: Abweichungen kommen nur durch die Sinndimensionen zustande (20)

    1. Sachlich: Es "treten an Formen und an Systemen Innen- und Außenhorizont auseinander" (20).
    2. Zeitlich: Es "lassen sich in der Gegenwart Zukunft und Vergangnheit trennen" (20)
    3. Sozial: Es differieren die Perspektiven von Ego und Alter" (20).

    Gründe, dass mit diesen Sinndimensionen je getrennt variiert und selektiert werden kann sind

    A) verschiedene Zusammenhänge von:
    1. Die Unterscheidbarkeit und Eigenprägnanz dieser Dimensionen (21),
    2. der Form der Differenzierung des Gesellschaftssystems (21)
    3. dem Tempo der soziokulturellen Evolution
    B) das Reflexivwerden von Evolution (21):

    1. sozial: Es wird simplifiziert durch Werte (21) 
    2. Zeitlich: jede Gegenwart hat ihre eigenen Zukunfts- und Vergangenheitshorizonte (21)
    3. sachlich: ist schwierig aufzuweisen. Es ist scheinbar so, dass Objektivität durch eingebaute Selbstdeskription definiert wird (21)
    Durch die Sinndimensionen ist Strukturbildung möglich, beispielsweise Verhaltenserwartung (22).

    Als Antwort auf die Fragewie auf der Ebene sinnhafter Operation eine abweichende Operation zustande kommt (10)? Antwort: durch Fehler in der Selbstreproduktion (10): "Nichtidentische Reproduktion scheint im wesentlich folgende Quellen zu haben" (23):

    1. Rückgriff auf Bekanntes und
    2. zufällige Ereignisse (wie die Registrierung eines Ereignisses in nützlich/schädlich) (23).

    Diese Morphogenese durch Sinn modifiziert Strukturen (23).

    V. Warum bilden sich Systeme im Operationsmodus Sinn? (24-40)
    Antwort: Da sie Träger der Reduktion der Komplexität sein müssen (25).  Dies ist erforderlich, da Sinn eine Verweisungsstruktur auf Mögliches beinhaltet. D.h. die "Sinnevolution erzeugt, um sich zu ermöglichen, Systeme" (28). Aber auch Systeme"profitieren davon, daß sie Komplexität in der Form von Sinn erfassen und verarbeiten können" (28), was im folgenden Abschnitt als "evolutionäre Errungenschaft"(28) behandelt wird. Oder anders gefragt:

    VI Was ist gewonnen, wenn Evolution mit Sinn operiert? Antwort: Eine "Erweiterung des Potentials für Informationsverarbeitung, die die Evolution von Sinn befördert" (28 ff.)

    Antwort (allgemein): Es kann sich an (Sinn)-Differenzen orientiert werden, so dass Systeme gebildet werden, die bei geringerer Zahl an Elementen größere Kombinationsmöglichkeiten (wegen der Differenzen) aufweisen. Aber wie funktioniert das?
    (Exkurs L.E.: Luhmann nimmt also (System)-Stabilität als gegeben hin, was empirisch auch haltbar ist, denn Gesellschaft existiert schon lange. Deswegen spricht er von "profitiert" oder von "gewonnen", womit er impliziert, dass "die" Gesellschaft vom Operationsmodus Sinn profitiert oder evolutionäre Errungenschaften gewinnt).
    Der Gewinn lässt sich in fünf Hinsichten charakterisieren - jeweils in Bezug auf
    1. Systemgrenzen, damit es "Unterschiede, Diskontinuitäten, Konflikte in der Umwelt sehen kann" (29), beispielsweise das Freund-Feind-Schema (vgl. S. xx)
    2. Kausalität, damit sie "als hypothesengenerierendes Prinzip benutzt werden" kann, d.h. für das "Voraussehen mutmaßlicher Wirkungen" (33).
    3. Kontingenz, damit man zum Sinnkern nicht zurückkehren muss (34).
    4. Erwartungsbildung, da sie "der Präzisierung einer Differenz [dienen], die sich erst an ihnen zeigen kann: der Differenz von Erwartungserfüllung und Erwarungsenttäuschung" (36). Erwartungsenttäuschung unterscheidet sich dabei in Enttäuschungen, die "man anerkennen [...] will, und [...] die man enttäuschungsimmun festhalten will"(37). "Diese Differenz übernimmt nun die Führung der semantischen Evolution: sie etabliert sich in der Unterscheidung eines kognitiven (lernbereiten) und eines normativen (nicht lernbereiten) Erwartungsstils" (37, Hervorh. im Ori.).
    5. Neuheit, damit es redundante Möglichkeiten schafft (39), oder: "Was neu ist, ist fast zwangsläufig besser" (39). Diese Redundazu ist wiederum Voraussetzung zur Variation ist (27).
    Diese "fünf Gesichtspunkte der Sinnverwendung [...] hinterläßt den  Eindruck, dass die Evolution von Sinn eine Linie der Steigerung und der Dramatisierung verfolgt, die ins immer Unwahrscheinlichere führt" (40)

    VII Die Differenz sakral/profan (40-
    Sie ist evolutionäre wichtig, da sie der im Sinn (in seinen Verweisungen) immanenten Ungewissheitserfahrung (dem Unfassbaren) Form, Namen und Ort gibt (40 f.). Dies erfolgt beispielsweise als sakrales Ritual oder Kult in der Religion (42). Mit der "Einheit der Differenz von sakral und profan [...] kann sie jede Situation, ohne vorweg zu wissen welche, in ein religiöses Schema der Informationsbehandlung überführ[t]" werden, d.h. "das Mitwirken des Außeralltäglichen zu erfahren und zu thematisieren"  (42, Hervorh. im Ori.). Noch tieferliegend wird diese Differenz über Duale wie Sünde/Gnade bis hin zur Frömmigkeit entdifferenziert, was mit der modernen Gesellschaft scheitert (45 f.). Die ausdifferenzierte Religion stellt um auf undifferenzierte Positivvorstellungen (45), beispielsweise die Güte Gottes (L.E.).

    VIII Sinn und Selbstreferenz in der Evolution und die Steigerung von Komplexität durch sekundäre Sensibilitäten
    Sinn und Selbstreferenz sind tragende Merkmale der Evolution und führen zu strukturelle aber auch bestimmbarer Komplexität ((46 f.). "Die Umformung von Überraschung, 'noise' in informativen Sinn; der dann selbstreferentiell zugänglich bleibt, setzt deren (sinnhafte, L.E.) Reproduktion mit in Gang" (45). Neben "'fehlerhafter' Reproduktion wird Variation und damit weitere Evolution am tradierten Sinngut ermöglicht. Ein Beispiel ist die Evolution der Liebessemantik (46 f.), An dieser lässt sich zeigen, wie der Sinn von Evolution auf Evolution zurückprojiziert wird (Fn. 2): Zuerst Plaisier, dann Liebe, dann Ehe. Es geht somit um die "Steigerung von Komplexität durch sekundäre Sensibilitäten" (50). Jedoch kann "Evolution nicht schlichtweg als zunehmende Differenzierung begriffen werden" (53, vgl. Kapitel XI).

    "[W]enn die Evolution in Richtung auf ausgearbeitete, bestimmte oder doch bestimmbare Komplexität läuft, wird Unbekanntes, Überraschende, Unweahrschinliches zunehmend deutbar" (47).

    Die Umstellung der Gesellschaft auf Eigendymik statt Außenanstöße erzeugt u.a. semantische Paradoxien (Widersprüche), was sich evolutionär als vorteilhaft herausstellt, wenn sich dadurch sozialstrukturelle Evolution und Ideenevolution gegeneinander ausdifferenzieren. Dadurch "gewinnen Simulationen, also gedankliche Vorweg- oder Alternativprozesse an Bedeutung und im Zusammenhang damit wiederum: distanzierende Semantik", wie beispielsweise "die aristotelische Isolierung [...] der Natur" (48).

    Zur Anschlussfähigkeit bedarf es der Speicherfähigkeit des Gedächtnisses (48).

    Fortsetzbarkeit ist nicht garantiert wegen der Wahrscheinlichkeit von Fehlern, weswegen es jedoch Warnsemantik und- als progressiv geltende - Bewahrung von Errungenschaften gibt (49).

    IX. Die evolutionäre Begünstigung von Funktion und die zunehmend funktionale Differerenzierung aufgrund von Komplexitätszunahme
    Funktionen werden entdeckt, wenn man Verweisungen als Probleme fasst (50). Evolution ist dann über funktionale Äquivalente zu begreifen, wenn äquivalente Lösungen die gleiche Funktion erfüllen (50). Sie ermöglichen somit die Gleichheit von Ungleichheit (50). Diese Differenz wird "durch Funktionen geordnet und gegebenenfalls gesteigert" (51). Sie geben zusätzlich Anschlusswert (die Funktion der Funktione, wie "Poesie und Prosa als funktional äquivalente Formen" (51).

    Gleiches wird mit Differenz angereicht und dadurch informationswirksam (52).

    Funktionen können Sensibilität für Differenz schärfen, je nachdem wie sie Gleichheit anstezen, beispielsweise Recht und Moral in Bezug zur Natur oder zum menschlichen Verhalten (53).

    Evolution ist nicht schlichtweg funktionale Differenzierung, sonder auch Eliminierung von Differenz, wie beispielsweise die vita activa/contemplativa (53). Ursache ist hier der Prozess der funktionalen Differenzierung. Grundsätzlicher ist immer die Form der primären Differenzierung (das Primat) zu berücksichtigen, da die Funktion mit der System-Umwelt-Differenz des Gesellschaftssystems gleichgeschaltet wird; beispielsweise verliert vieles aus der Stratifikation an Überzeugskraft in der der modernen funktional differenzierten Gesellschaft (54). Funktion wird somit zum evolutionären Regulativ. weil sie Differenz präzisiert und trotz Unwahrscheinlichkeit verhaltenswirksam machen kann (54).

    X) Sinnevolution und die Verfestigung in der Differenz von Gesellschaftsstruktur und Semantik
    X.1 Sinnevolution Sinn evoluiert als autopoietische Reproduktion und verfestigt sich in der Differenz von Gesellschaftsstruktur (d.h. Systemdifferenzierung, um Verhaltenserwartungen zu separieren) und Semantik (d.h. Ideen, 'Kultur' oder Formen, die die Reproduktion von Sinnerleben steuern)(55 f.). Beide verändern sich wechselseitig, d.h. die evolutionäre Gesellschaftsstruktur kann die Plausibilitätsgrundladen der Semantik verändern (siehe oben Stratifikation) (56 f.). Genauso wie eine gewisse 'Vorleistung' der Ideenevolution, welche noch reproduktionsfähige Kontingenzen erhöhen kann (57), was aber nicht zwangsläufig zu Änderungen der Gesellschaftsstruktur führt (L.E.). In beiden Fällen scheint eine wichtig Voraussetzung zu sein, dass Sinn, und somit der Anschluss von Sinn an Sinn, eine höhere und raschere Variation ermöglicht (57). "Jedenfalls bleibt in der tradierbaren Semantik eine ungewählicher Selektionsspielraum erhalten" (58). Dabei ist "[b]is heute Kontingenz das Signum und das Problem der Moderne geblieben" (58). Hierbei gilt für die Funktion, dass sie immer nur einn Vergleichspunkt unter anderen auszeichnet, immer relativiert, wird Kontingenz reproduziert und nicht ins Notwendige zurücktransformiert (58).

    X.2 zur Variation
    (siehe Frage 2 oben)
    Man kann vermuten, dass die mit Kontingenz bezeichnete "Erweiterung der Variations-, Anschluß-, Kombinations- und Reproduktionsmöglichkeiten von Sinn als Resultat von Evolution in die evoluierenden Sinnsysteme selbst eingebaut worden ist" (59, Hervorh. im Ori.). "Vor allem aber festig sich durch diese Entwicklung die Differenz von Gesellschaftsstruktur und Semantik. Sie wird irreversibel in die Evolution von Sinn hineingeschrieben" (59, Hervorh. im Ori.). Wäre beides eine Einheit, könnte man "Variation nicht riskieren [...] (Antwort zur Frage 2 oben, L.E.). Die Differenzierung ermöglicht es, Ideen gleichsam spielerisch zu variieren [...]. Sie ermöglicht es, Realfolgen neuer Semantiken außer acht zu lassen oder in eine illusionäre Welt, eine bessere Welt zu verlagern. Und auf der anderen Seite können gesellschaftsstrukturelle Veränderungen, die man nicht wagen könnte, unbemerkt anlaufen und in sich in der Plausibilität neuer Ideen abstützen" (59). "[D]ie Mechanismen der Variation, der Selektion und der Restabilisierung in der gesellschaftsstrukturellen und in der semantischen Evolution werden weiter auseinandergezogen und dadurch mit reicheren Kombinationsmöglichkeiten ausgestattet werden" (60)  (Fn 3).

    XI) Die Evolution der Evolutionstheorie
    "Das Bezugsproblem [...] ist die mit zunehmender Komplexität des Gesellschaftssystems zunehmende Rlevanz der Zeitdimension" (62).  Die "Evolutionstheorie befasst sich also mit allgemeinen Problemen des Entstehen und Vergehens von Ordnung [...], mit dem Tempo, in dem dies geschieht, umd mit der immer höheren Unwahrscheinlichkeit des Resultats" (66). Die Frage nach wohlüberlegtem (deliberate) Wandel ist die Frage nach der Differenz von Evolution und Planung (63). Zwei Fragestellungen sind dann relevant: [W]ie weit kann das System planmößig geändert werden? [...] [W]ie ist eine Evolution hyperkomplexer Systeme möglich? (68). "Die Evolutionstheorie muß dann reflektieren, daß in der Menschengesellschaft Planung vorkommt als eine Art von Beschleunigung von Zufällen und Katastrophen" (63). "[D]ie Ziele der Planer [wird] bestenfalls als Material für Variationen und Selektionen verwendet, ohne selbst Ziele zu verfolgen" (64). "[G]eplante Systemtransformation heißt eben nicht: planäßige Systemtransformation" (68). Die Funktion der Evolutionstheorie liegt zunächst nur in der Steigerung analytischer Kapazität (71).

    3 Fragen


    3.1 Zur Repression des Überschusses von Sinn (14)
    3.1.1 Wie sind "Reduktion" und (oder?) "Repression" zu verstehen (14). Ist das eine Art Sub-Mechanismus? Eine Art Metaselektion (bspw. Normen)? Es kann doch nicht reduziert werden, wenn es nicht zuvor der Überschuss produziert wurde? Muss hier an einen Mechanismus der Sozialisation gedacht werden?

    Genauer:
    Wie sind "Reduktion" und (oder?) "Repression" zu verstehen (14), wenn es ein Überschuß an Möglichkeiten durch Sinn gibt und beide "im Sinne eines laufenden Miteinander" gedacht werden müssen? Ist die Reduktion eine Art Sub-Mechanismus, eine Meta-Selektion, die die Auswahl von Selektionen selektiert? Es kann doch nicht reduziert werden, wenn es nicht zuvor der Überschuss produziert wurde? Oder  wird er wegen Repression schon gar nicht gedacht? Oder wird der (potentielle) Überschuss schon der Repression ausgesetzt (wie beispielsweise Normen)?

    3.1.2 Muss nicht eher an ein Mechanismus der Sozialisation gedacht werden, der die Möglichkeiten erst gar nicht zulässt?  Oder wie lässt sich die Sozialisation mit der Sinn-Konzeption und dieser "Reduktion/Repression" denken?

    3.2 Ist die Überschußreproduktion auf Seiten der Semantik und die Repression auf Seiten der Gesellschaftsstruktur zu verorten?


    3.2 Zum Kontext (18)
    3.2.1 Wie ist Folgendes zu verstehen: Reproduziert wird [...] der Kontext der Selektion durch Wiedereintritt (von Sinn in Sinn?) (18)? Erfolgt der Wiedereintritt im Möglichen (also nicht im Aktuellem) des Sinns? Wird so das Mögliche mit Sinn ausgestattet und dadurch eingeschränkt? Ist diese Möglichkeitseinschränkung der Kontext?

    3.2.2 Kann das vielleicht mit "Reduktion/Repression" (siehe erste Frage) zusammen gedacht, also in Verbindung gebracht werden?

    3.3 Reproduktionsfehler (10)
    Zur Frage Luhmanns wie auf der Ebene sinnhafter Operation eine abweichende Operation zustande kommt? Antwort: durch Fehler in der Selbstreproduktion. Meine Frage: Sind das Abweichungen zum normalen Kontext, siehe Frage 3.2?


    4 Fußnote
    (1) Liest man die editorische Notiz von André Kieserling (254 ff.), dass Luhmann den Text im dritten Band der Reihe Gesellschaftsstruktur und Semantik nicht aufnahm (254), und betrachtet man, dass diese Reihe mit den vier Bänden in den Jahren 1980, 1981, 1989 und 1995 erschien (253: Fn. 1), dann kann man vermuten, dass der Text zwischen 1982 und 1988 erschienen sein könnte - die Mitte des Intervalls wäre dann etwa 1985.
    (2) Hier scheint eher die Ausdifferernzierung oder Subsystembildung oder eine Re-Entry der Differenz in die Dzfferenz (Reproduktionen neuer Differenzen) gezeigt zu werden, denn ein Re-Entry der Evolution in die Evolution müsste ja die Evolution ändern (L.E.).
    (3) Eine starke These (L.E.).

    5 Literatur
    Luhmann, Niklas (2008 [~1985 (Fn. 1)]): Sinn, Selbstreferenz und soziokulturelle Evolution. In: Niklas Luhmann (Autor) und André Kieserling (Hg.): Ideenevolution. Beiträge zur Wissenssoziologie. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 7–71.

    Keine Kommentare:

    Kommentar veröffentlichen